durch
dickicht rätsel dorn und röschen
SCHWALLDORF. Ironie und
Schmäh mäandern zeitlos durch den Abend. Den Wortsinn
mal verdrehend, mal seine Vieldeutigkeit entlarvend,
liest Günter Sopper Lyrik in der Schwalldorfer
Grundschule. Knapp zwei Dutzend Kurzgedichte hat der
ehemalige musikalische Leiter des Tübinger
Landestheaters, Pianist und Chansonnier im Programm.
„durch dickicht rätsel dorn und röschen“ lässt schwere
Kost vermuten. Doch witzelnd, grantelnd und „rrrrrührend“
verstrickt sich Sopper nie im Dickicht.
„Ich schlage einen Purzelbaum und er schlägt mich
zurück“, ist nur eine von vier denkbaren
Sprach-Variationen, die Sopper den knapp 30 Zuhörenden
anbietet. Schrille Tastentöne entlockt er seinem
Akkordeon, wenn er von Gelse erzählt, der
österreichischen Stechmücke. Wie der Gelse namens Else
empfiehlt der 55-jährige Solist in „Körperwelten“: Stirb
vor deinem Tod, dann kannst Du nicht mehr sterben.
Zwischen jedem Text ein Schluck Wasser, alle zehn
Minuten wechselt Sopper zwischen Stehpult, Sitz und
Klavierhocker. Kurzweilig bleibt der Abend bis zum
letzten selbst verfassten Stück.
Raffiniert und feinsinnig zugleich changiert Sopper das
Leben zwischen Liebe und Tod. Pianistisch überzeugend
füllt er die zum Nachdenken notwendige Zeit zwischen den
lyrischen Häppchen. Sopper jandlt und kreislert und
lockert auf mit „Heimatmusik mit Herzgeräuschen“: Es
schreit Dein Herz nach mir und meines schreit zurück; im
Monat Mai geht ein Schrei durch jede Nacht, wenn’s Herzl
kracht.
Sopper dreht und wendet aufs Feinste. Auch seine Augen
ziehen die Gäste in Bann. Aus „Berührung“ wird noch
rührend, am Ende aber kommt ein Rührei heraus. Nach
eineinhalb Stunden erklatscht sich das Publikum eine
Zugabe. Die kommt mit dem „Wandersmann“ und die
kurzweilig gestaltete Solo-Performance endet viel zu
früh.
Schwäbisches Tagblatt,
27.10.2003 |